Buchkritik

kUNSTgAZETTE

13.07.2021

Anmerkungen zu dem Buch Kunsthändler der Mafia.

 

Wenn Touristen nach Palermo reisen oder in Neapel Urlaub machen und Einheimische nach der Mafia fragen, können sie mit folgender Antwort rechnen: „Mafia? – La Mafia non esiste; son tutte chiacchiere!” („Mafia? – Die Mafia gibt es nicht; ist alles nur Gerede!“) – Mag sein, dass dem so ist, weil die Mafia, nach außen hin, gern gesichtslos bleibt; sich gegebenenfalls als ehrenwert darstellt: Wie auf dem Cover-Bild, das diesen Sachverhalt perfekt zum Ausdruck bringt.
Allein schon deshalb war man bei der kUNSTgAZETTE an dieser Story interessiert. An einer Story mit Figuren, die sich im Leben zu bewähren haben oder mancherorts bloß ihren Livestyle zelebrieren. Den Anfang macht der Protagonist Tilo Parker, der sich der Leserschaft zunächst mit vergnüglichen Begebenheiten aus seiner Jugendzeit vorstellt. Und hierdurch nachvollziehbar macht, weshalb er zu Beginn seines beruflichen Werdegangs erst einmal Kunst studiert. Allerdings bereut er diesen Schritt nach kurzer Zeit und bricht das Studium ab. Denn „ein Leben lang von den intransparenten Werte-Definitionen der Kunstkritik abhängig zu sein, wäre zum Kotzen“ (Zitat).
Der Studentenjob, den er kurz zuvor bei der Rundfunk- und Fernsehanstalt WELLE X3 angenommen hat, verstärkt dann seinen Wunsch, sich journalistisch ausbilden zu lassen. Daher ist der Wechsel auf die nahgelegene Journalistenschule bloß reine Formsache. Sich dort auf Kunstjournalismus zu spezialisieren, ergibt sich dann von selbst.

Dass Tilo Parker nach seinem Masterabschluss blitzschnell Karriere macht, ist seinem Ehrgeiz und seiner erfrischenden Offenheit zuzuschreiben. Als Experte, der Informationen verbreiten will, nutzt er die Druckmedien, oder er bekommt dafür Sendetermine im Fernsehen zugestanden; stets zur besten Sendezeit.
In der Natur der Sache liegt es da, dass er in den Fokus der Antagonistin Fatima Radjani gerät. In einem Münchener Luxushotel stellt sie einen Kunstkongress auf die Beine und lockt Thilo Parker dorthin. Gleich beim ersten persönlichen Zusammentreffen erfährt er von ihr, dass sie als Salesmanagerin im internationalen Kunsthandel tätig sei und hierfür hochwertige Exponate suche. Sie macht ihm schöne Augen. Fädelt im Hotel eine prickelnde Nacht mit ihm ein. Und gewinnt ihn als Mitarbeiter für ihre Arbeitsgruppe. Wer noch zu dieser Gruppe zählt, erfährt Tilo Parker nie. Und niemand wird ihm je verraten, dass er ab dieser Nacht mit einer mafiösen Organisation verbandelt ist; eine, die Geldwäsche mit Kunstwerken betreibt. Und zwar solche, die nur er in großer Anzahl und in entsprechender Qualität herbeizuschaffen weiß; davon ist Fatima Radjani überzeugt.

Während der Zusammenarbeit mit der besagten Organisation steigt Tilo Parker auf der Erfolgsleiter immer höher. Bei seinem Engagement nimmt er allerdings nicht wahr, dass sich durch diese Kooperation die größte Katastrophe seines Lebens anbahnt. Am Ende des Romans steht er aber nicht unbedingt als Verlierer da. Durch einen erzählerischen Trick überlässt es der Autor der Leserschaft, hier die Entscheidung zu treffen: Daumen nach oben; oder Daumen nach unten. Für seinen Roman Kunst und die Kreativität der Mafia verwendet Ben Raave die Alltagssprache. Sein Schreibstil lässt die Handlung fließen: manchmal rasch die Richtung ändernd; dann wieder kerzengerade strömend. Und jeweils passend hierzu sind aberwitzige, manchmal sogar surreal anmutende Geschehnisse eingeflochten. Aber nur solche, die zur literarischen Wirklichkeit gut passen.

Lesenswert!

(424 Seiten).